Woher wisst Ihr eigentlich, in welcher...

Alles um den Blutzucker
hjt_Jürgen

Woher wisst Ihr eigentlich, in welcher...

Beitrag von hjt_Jürgen »

Moinmoin,

… Richtung Euer BZ gerade unterwegs ist, wenn Ihr den messt?

Mit der Frage hat mich in meinem ersten Diabetes-Leben mein Dok voll auf den Schlauch gestellt: Ich konnte ihm nicht raus geben. Daran musste ich gerade in einer irren Diskussion mit einem neu ernannten Techniker denken, der darauf schwört, dass seine und die Rettung aller Insuliner darin bestehen würde, dass ein Testgerät zur Verfügung stünde, das bis auf wenigstens 1 Stelle hinter dem Konto genau geht. Das würde uns nämlich alle davor bewahren, uns ab und zu mit zu viel Insulin in ne Hypo zu spritzen.

Da nehme ich dem armen Irren natürlich nicht ab, aber ich kann auch nicht richtig raus geben, weil ich mit der üblichen ICT/Pumpen-Einstellung keine wirkliche Erfahrung habe. OK, in meinen ersten 2 Insuliner-Jahren hab ich auch morgens nach dem Aufstehen, vor den Mahzeiten und vor dem Schlafengehen gemessen und in dem Zusammenhang die Faktoren verwendet, die mein Dok mir vorgegeben hatte. Hat damals für HBA1c 7,5 gereicht, bis ich dann den T1DM-Kollegen kennen lernte, der seinen 1c im 5er Rahmen hatte und wenigstens jeden 2. Tag von mir wissen wollte, warum ich noch den 7,5er pflegte, wo ich für den selben Einsatz auch nen 5er haben könnte. Irgendwann hab ich dem nachgegeben und nach seiner Anleitung angefangen, meinen BZ nach dem Essen zu beobachten.

Also hab ich in einem meiner früheren Leben x Nummern Beobachtungsreihen mit 1 Scheibe Brot= über den Daumen 2 BEs gemacht, gemessen, gespritzt, gegessen und in Halbstundenschritten weiter gemessen, bis der BZ nicht mehr absinken wollte.
Dabei hab ich gefunden, dass außer zum Frühstück mit der passenden Menge Insulin bei meinem Start bei 80 mein BZ in der Spitze um etwa 140 verläuft und die Insulinwirkung nach etwa 3-4 Stunden wieder bei um 80 ausläuft.

Wenn ich 4 BEs esse funktioniert das schon nicht mehr so einfach.
Entweder ich spritze passend für 4BEs und messe in der Spitze um 200 und mehr und im Auslauf nach 3-4 Stunden wieder um 80.
Oder ich spritze für 8 BEs mit dem Erfolg, dass die Spitze nach 4 BEs unter 140 bleibt und ich dann aber ne Stunde weiter die restlichen 4 BEs nachfüttern muss.
Alternativ kann ich nur für 4 BEs spritzen und mich direkt nach dem Essen wenigstens ne halbe Stunde wie dieser hier bewegen.

Und in der alltäglichen Praxis habe ich einen munteren Mix aus diesen 3 Möglichkeiten und kann nun aus der Erfahrung erstens einschätzen, ob ein gemessener Wert im Rahmen des beabsichtigten Verlaufs liegt, und wie zweitens der Verlauf wahrscheinlich weiter verlaufen wird.
Etwas genauer überleg ich dann allerdings schon, wenn mein BZ in den unteren 70ger Bereich kommt, denn von da bis unter 60 ist ja nicht mehr sooo weit, und in dem Bereich fühle ich mich nicht mehr so ganz wohl.
Wenn die Überlegung sagt, dass ich vom letzten Spritzen dann schon 3-4 Stunden weg bin und hier am Compi zuhause sitze, trinke ich nen Tee und gut.
Wenn ich aber noch mit dem Auto fahren müsste, würde ich zur Sicherheit ne halbe BE essen, mit der mein BZ dann ne halbe bis ne Stunde weiter wieder bei 80-100 zu messen sein würde.

Nur 2 Stunden nach dem letzten Spritzen im 70ger Bereich würden mir sagen, dass ich zu viel gespritzt, zu wenig gegesen oder mich mehr als geplant bewegt hab und dass ich etwa noch mal so viel nachessen müsste wie das, wofür ich gespritzt hatte.
Oder anders: ohne Nachessen würde mein BZ dann sicher tiefer als 50 absinken, und ich würde mich wenigstens die nächsten 2 Stunden voll mies fühlen, auch wenn ich dann ganz viel essen würde.
Und 5 und mehr Stunden nach dem letzten Spritzen hätte ich bei 70 keine Bedenken, Auto zu fahren, denn 70 sind bei MIR mit meinem Messgerät(!) noch völlig in Ordnung, und mein BZ würde dann mit Sicherheit nicht tiefer sinken.

Aber ob der Techniker jetzt einsieht, dass für die Einschätzung dessen, was der BZ nach dem Messen eines noch so genauen Wertes macht, nicht der Wert entscheidend ist, sondern der vorhergeganene und der nachfolgende Verlauf? Oder kann man tatsächlich an einem der Standard-ICT/Pumpen-Werte, wenn er denn nur genau genug ist, die Richtung vom BZ-Verlauf ablesen? Wie macht Ihr das?

Bin neugierig, Jürgen
Mira Belle

Re: Woher wisst Ihr eigentlich, in welcher...

Beitrag von Mira Belle »

Interessant deine Überlegungen.

Ein genaueres Messgerät wäre sicher eine gute Sache. Aber wie soll mir das nach einmaligem Messen anzeigen ob er sinkt oder steigt. Wenns genauer misst und man innert einer Halben- oder Viertelstunde zweimal misst wohl schon eher.

Bei den 4 BE: Ich verlängere öfters den Spritz-Essabstand. Spritze absichtlich zu früh, esse dann aber etwas ganz kleines, damit ich nicht in ein Hypo falle. Mein Ziel ist es erst auf 4.0 bis 3.5 runter zu gehen, bevor er dann wieder zu steigen anfängt. (Allerdings eher bei 60 KH als bei 48 ) Ähnelt deiner zweiten Variante.

Bin gespannt was hier noch für Antworten kommen.

Ach ja, ich weiss es nicht, hoffe aber, dass die Etfahrung irgendwie hin kommt.
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Re: Woher wisst Ihr eigentlich, in welcher...

Beitrag von hut »

Normalerweise messe ich meinen BZ vor den Mahlzeiten, errechne aus dem Wert und aufgrund der beabsichtigen KH-Aufnahme das Insulin, Bei Buffets oder bei Mahlzeiten deren Berechnung mir nicht gelingt, messe ich nach dem Essen. Daneben messe ich vor einer Autofahrt oder während längeren Autofahrten.
Damit bin ich bis jetzt sehr gut gefahren.
Zum Autofahren:
In der Schweiz ist es vorgeschrieben, vor jeder Autofahrt und während der Fahrt ca. jede Stunde den BZ zu messen, bei Werten unter 5mmol/l (ca. 90 mg/dl) darf nicht gefahren werden. Hält man sich nicht daran, riskiert man, den Führerschein infolge mangelnder Compliance zu verlieren. In meinem Führerscjhein ist der Hinweis angebracht, dass ich mich an verkehrsmedizinische Auflagen zu halten habe (für Schweizer: Code 101)
Wer einen Tippfehler findet, darf ihn behalten, ich besitze noch einen genügenden Vorrat davon!
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Re: Woher wisst Ihr eigentlich, in welcher...

Beitrag von Glückskäferli »

Da ich ein CGM trage, weiss ich immer ungefähr in welche Richtung mein BZ will.

Da ich Mutter von zwei Kinder bin, Decke ich meistens erst nach dem Essen meine KH ab. Komme sowie meistens nicht so recht zum essen und mein Jüngster isst bei mir "mit". Da leert sich mein Teller schon ohne mich :D .
Mach das Beste aus deinem Leben.

Lebe dein Leben und geniesse es, wie wenn es dein letzter Tag sei.
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Re: Woher wisst Ihr eigentlich, in welcher...

Beitrag von Herr_Koch »

Wenn ich 4 BEs esse funktioniert das schon nicht mehr so einfach.
Entweder ich spritze passend für 4BEs und messe in der Spitze um 200 und mehr und im Auslauf nach 3-4 Stunden wieder um 80.
Oder ich spritze für 8 BEs mit dem Erfolg, dass die Spitze nach 4 BEs unter 140 bleibt und ich dann aber ne Stunde weiter die restlichen 4 BEs nachfüttern muss.
Alternativ kann ich nur für 4 BEs spritzen und mich direkt nach dem Essen wenigstens ne halbe Stunde wie dieser hier bewegen.
Wie schauts bei dir aus mit Spritz-Ess-Abstand?
Die zweite Möglichkeit scheint mir grundsätzlich nicht optimal. Du spritzt bewusst mehr, um den Wert im Ok-Bereich zu haben, wobei du nachher noch nachessen musst. Das widerspricht ja eigentlich der modernen Therapie, bei der man sein Insulin dem Essen anpasst.
Gut, das Wichtigste ist, dass du damit so fährst, dass es dir gut geht. Dennoch würd ich da eher mal mit dem Zeitpunkt des Spritzens experimentieren, um auf deinen gewünschten Zielwert zu kommen.

Zum Thema selbst. Ich orientier mich an der Zeit, die seit dem Spritzen vergangen ist. Heisst, ich messe in der Regel drei Stunden nach der Injektion. Bei grösseren Insulinmengen gerne auch noch etwas später. Dann weiss ich, dass das Insulin langsam durch ist mit der Wirkung. Nach fettreichen Mahlzeiten hinkt diese Methode, das ist klar. Aber im normalen Alltag gehts für mich.
hjt_Jürgen

Re: Woher wisst Ihr eigentlich, in welcher...

Beitrag von hjt_Jürgen »

Moin Hut,

die 5 mmol/l halte ich als Auflage für alle Diabetiker für überzogen, denn unter 5 mmol/l beginnt ja noch lange keine Unterzuckerung, wenn der Betroffene sich nicht die meisten von 24 Stunden über 10 zu bewegen gewöhnt ist.

So weit ich das hier in D kenne, gibt es keine generelle feste Grenze, sondern die Vorschrift, dass frei von Hypo gefahren und das bei nem Unfall nachgewiesen werden muss. Wer dann nicht mit ner zeitnahen Messung nachweisen kann, dass er wahrscheinlich keine Hypo gehabt hat, oder wer sich dann gar auf ne Hypo raus redet, bekommt individuelle Auflagen.

Bisdann, Jürgen
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Re: Woher wisst Ihr eigentlich, in welcher...

Beitrag von Herr_Koch »

Denke, das Gesetz muss halt irgendwo eine Grenze setzen, wenns denn eine geben muss. Und mit >5 mmol/l ist man auf der sicheren Seite. Heisst ja nun nicht, dass man sich auf 8 mmol/l raufputschen muss, bevor man ins Auto steigt.
Der eine fühlt sich bei 6 mmol/l schwummrig, weil er hohe Werte gewohnt ist, der andere funktioniert mit 3.5 noch wunderbar. Aber vor dem Gesetz sind halt alle gleich und haben gefälligst gleich zu funktionieren ... ;)
hjt_Jürgen

Re: Woher wisst Ihr eigentlich, in welcher...

Beitrag von hjt_Jürgen »

Moin Mira Belle,

ja, der SEA. Als ich 98 mit Alt anfing, galt generell 30 Minuten. Beim Umstieg auf Humalog dann NULL und sogar negativ: Spritzen nach dem Essen war hier ne Weile ganz groß angesagt. Musste ich aber schon nicht mehr nachmachen.

Ich hatte nämlich schon mit dem Alt-Insulin eine interessante Selbst-Versuchsreihe gemacht. Hatte um 6 Uhr gespritzt, die Scheibe Brot zum Frühstück vorbereitet, aber nicht gegessen, und in Halbstunden- und schließlich in 10-Minuten-Schritten gemessen und ein erstes deutliches Sinken des BZ erst etwa 100 Minuten, also fast 2 Stunden, nach dem Spritzen beobachtet. Mit Humalog reduzierte sich diese Zeit auf um 45 Minuten. Aber NUR vor dem Frühstück!
Über den ganzen Rest vom Tag hab ich da um die 20 Minuten gemessen, und mit meinen meistens nicht mehr als etwa 20KHs auf einmal passt das schon ohne besondere Berücksichtigung unter meinen postprandialen Deckel von 8 in der Spitze.

Bisdann, Jürgen
hjt_Jürgen

Re: Woher wisst Ihr eigentlich, in welcher...

Beitrag von hjt_Jürgen »

Moin Herr Koch,

dann dürften z.B. schwangere Diabetikerinnen nicht Auto fahren, weil sie ihren Nüchtern-BZ morgens und zwischen/vor den Mahlzeiten unter 5 zum Ziel haben. Und vollständige Remissionen wären auch vom Autofahren ausgeschlossen, weil auch dafür 5 (manchmal allerdings auch 6) als Nüchtern-Obergrenze gilt. Und erst die vielen Gesunden, die praktisch alle nüchtern unter 5 messen und viele davon sogar nur 3.

Deswegen kann ich mir eigentlich keine allgemeine gesetzliche Festlegung einer BZ-Untergrenze vorstellen und auch nur schwer glauben, dass es so eine allgemeinverbindliche in CH geben soll.

Bisdann, Jürgen
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Herr_Koch
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Re: Woher wisst Ihr eigentlich, in welcher...

Beitrag von Herr_Koch »

Und erst die vielen Gesunden, die praktisch alle nüchtern unter 5 messen und viele davon sogar nur 3.
Wobei bei denen die ganze Regulation ja noch selbstständig funktioniert, ob gegen oben oder unten.

Aber ist schon so, mancher Diabetiker würde mit 4.8 wohl besser fahren als ein Gesunder mit 5.5 und nur zwei Stunden Schlaf. Oder so. Fahrtüchtigkeit ist halt ein Thema für sich.

Ich hab mich nie so mit dem Thema Diabetes+Auto befasst, weil ich keinen Führerschein hab. Aber die Behörden haben ja gerne die Tendenz, alles regulieren zu wollen. Obs nun Sinn ergibt oder nicht, sei dahingestellt. In der Regel weiss man ja selber, wie der Körper reagiert. Und wenn ich weiss, dass mein BZ von 4.7 oder so stabil bleibt, wenn ich fahre, dann ist das halt so. Wenn meine Einstellung dagegen einer Achterbahn gleicht, geh ich vielleicht eher auf Nummer sicher und steige lieber mit einem zu hohen BZ ins Auto. Andere reagieren stark auf einen zu hohen BZ und sind dann nicht wirklich fahrtüchtig.

Am Ende, wie gesagt, ists halt schwierig. Man sollte wohl so ins Auto steigen, dass mans verantworten kann (ausgenommen Alkohol, da überschätzt man sich sicher gerne). Sich und andere nicht gefährdet. Ob das dann mit den gesetzlichen Vorgaben korrespondiert ... naja. Weiss jeder selber, der betroffen ist.
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