Helikopter-Mami?

Der kindliche Diabetes ist auch in den Medien präsent.
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hut
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Helikopter-Mami?

Beitrag von hut »

Die folgenden Gedanken einer Mutter eines Kindes mit Diabetes erachte ich als lesenswert:

Nein, ich will keine von diesen Helikopter Müttern sein. Ich will eine Mutter sein, die ihrem Kind auch mal was alleine zutraut. Ich will eine Mutter sein, die ihr Kind so gut wie möglich auf die Selbstständigkeit und das Leben mit der Krankheit Diabetes Typ 1 vorbereitet. Ihr könnt mir glauben, es fällt mir nicht immer leicht. Doch ich lerne jeden Tag in vielen verschiedenen Situationen einfach mal loszulassen und meiner Tochter zu vertrauen. Für mich ist das ein sehr schwieriger Prozess und ich möchte dies gerne tun, ohne von anderen betroffenen Eltern (v.a. Müttern) schief angeschaut zu werden oder mich dafür rechtfertigen zu müssen.

Vor einiger Zeit saß ich gemeinsam mit Mandy als Teilnehmerin in einem Workshop für Diabetes Eltern. Eigentlich sollte es um das Thema CGM gehen. Doch, wie das so ist, wenn Eltern so untereinander sind wird halt über alles Mögliche gesprochen. Neben Zahnpflege bei nächtlichen Unterzuckerungen und sonstigen Alltagsproblemen, kamen wir irgendwann auch auf das Thema Schule zu sprechen. Ein sehr schwieriges Thema, wie wir alle wissen.

Ich erzählte, dass wir uns, nach langem Überlegen, bewusst dafür entschieden haben, dass Leonie alleine den Schulalltag meistern wird.
Bämm, und da war sie dann plötzlich, die Helikopter Mutter in unserer Runde. Die Mutter die sich lässig, kaugummikauend in den Stuhl lümmelt und erzählt, dass sie in jeder Pause, zu jedem Sportunterricht in die Schule geht, um dort den Blutzucker ihrer Tochter zu kontrollieren. Das macht sie, weil für sie ihre Tochter das Wichtigste im Leben ist, und weil sie ihre Tochter liebt. (Ihre Tochter ist vier Jahre älter als Leonie.) Uns wollte sie damit klar zu verstehen geben, dass wir „Rabenmütter“ sind, die ihre Diabetes kranken Kinder alleine lassen. Da musste ich wirklich mehrmals schlucken, um nicht irgendwas zu sagen, was ich später bereuen würde.

Auch wenn ich keine Helikopter Mutter sein möchte, dennoch ist auch für mich mein Kind das Wichtigste und auch ich liebe es über alles. Doch gerade weil meine Tochter für mich das Wichtigste ist, ist es doch von großer Bedeutung, dass ich als Mutter loslassen lernen.

Wir wollen unsere Kinder irgendwann als selbstbewusste, selbstständige junge Erwachsene in die Welt entlassen. Und wie soll das gehen, wenn wir sie immer und überall in Watte packen, wenn wir alles von ihnen fernhalten? Gerade im Umgang mit der Krankheit Diabetes Typ 1 kommt es oft auf sehr viel Disziplin aber auch Wissen an. Und dieses Wissen können unsere Kinder oft nur durch eigene Erfahrung sammeln.

Ich bleibe also dabei. Ich will keine Helikopter-Mutter sein, auch wenn in der Schule nicht immer alles gut läuft (wie heimliches Naschen, oder die erste Keine-Zeit-zum Messen-Phase) und wenn ich deswegen von anderen betroffenen Mütter schief angeschaut werde. Viel lieber will ich eine U-Boot-Mutter* sein. Eine Mutter die alles aus der Distanz beobachtet und nur dann sofort auftaucht und zur Stelle ist, wenn Not am Mann ist und meine Tochter meine Hilfe benötigt. Ansonsten möchte ich gerne weiter all meinen Mut zusammennehmen und sie viele Dinge alleine meistern lassen.

Frei nach dem Zitat:
„Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.“

aus https://kindermittyp1diabetes.wordpress ... zuckermom/
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rahel3670

Re: Helikopter-Mami?

Beitrag von rahel3670 »

ich halte das so: je selbständiger mein Sohn wird, umso mehr lass ich los.
und: es muss auch ohne mich gehen, d.h. die Lehrer müssen es auch können.

Was ich nicht mache: von einem Kindergärtner/Erstklässler erwarten, dass er schon alles alleine kann.
allerdings denke ich, dass ein 10jähriges Kind wohl langsam den Diabetes alleine managen kann.
das zeigen auch die Erfahrungen der Kinderspitexleitung Nordwestschweiz, die mit mir geredet hat.
Vorher brauchen die Kinder so viel Unterstützung, wie sie brauchen.
Kinder entwickeln sich nicht alle gleich, und nicht linear.
das eine ist früher bereit, das andere später.

N. (7) ist stolz auf das, was er kann.
mir war auch wichtig, ihn nicht dazu zu zwingen, Dinge zu lernen, zu denen er nicht bereit ist.
das ginge auch gar nicht, er würde nur "Bahnhof" verstehen.
Er hat sich selber motiviert, lesen zu lernen, um die Medtronic 640G bedienen zu können (noch vor Schuleintritt).
beim Brotwerte/Insulin rechnen ist er auch schon recht weit, allerdings einfach im kleinen Rahmen.
rahel3670

Re: Helikopter-Mami?

Beitrag von rahel3670 »

Leonie ist übrigens 9 Jahre alt und hat eine 4-wöchige Reha "genossen", wo sie gelernt und geübt hat, bis sie alles alleine konnte. Davon können wir in der Schweiz nur träumen....
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